13. Februar 2007

interessanter Artikel... nicht nur für Diplom Ramadotzer

"Abgestumpft

12.02.2007 15:29 Uhr

Gewalt im Kino verdient immer eine Diskussion. Denn Mord- und Kampfszenen tun weh. Sollten sie zumindest.

von alicewonderland

Eine mittlerweile typische und mir verhasste Situation: Während ich schnell noch die Augen schließen kann, bevor der in Martin Scorseses Mafiathriller „The Departed – unter Feinden“ gerade vom Hausdach gestoßene Körper mit einem platschenden Geräusch auf dem Boden aufschlägt und Leonardo DiCaprio Blut und Gehirnmasse ins Gesicht spritzt, fangen die sechs pubertierenden Jungen und Mädchen vor mir an zu lachen. Was ist daran denn so witzig, denke ich wütend. Und überhaupt, seid ihr eigentlich schon 16?

Ich bin nun wahrlich keine moralisierende Spaßverderberin – habe ich mich doch früher auch liebend gern bei „Halloween I-III“ gegruselt. Von mir aus können sich 16-Jährige solche Filme antun, wenn sie es nicht lassen wollen. Schlimm finde ich, dass Gewalt scheinbar nur noch selten den Atem stocken lässt, und dass die Filmindustrie immer extremere Alptraumszenarien sucht und findet. Dass Angebot und Nachfrage sich gegenseitig beflügeln, zeigen Sequels wie „Saw II“ und „Saw III“ und jetzt die Vorgeschichte von „Das Schweigen der Lämmer“: „Hannibal rising“. Wenn Filmemachern für hinten nichts mehr einfällt, wird einfach vorne noch was drangehängt. Es mag dabei durchaus sein, dass das Resultat eine stimmige und fesselnde Handlung beinhaltet. Ich werde das allerdings nicht persönlich herausfinden können, da ich mittlerweile Filme, die ihren Horror als Selbstzweck zu Markte tragen, boykottiere.

Schwieriger wird das Urteil da schon bei Werken, in denen brutale Szenen Teil eines größeren Handlungszusammenhangs sind, aus dem sie vereinzelt herausragen. Wie in „The Departed“. Dieser im Grunde sehr gute, spannende und orginelle Film ist ein Grenzfall, da Scorsese (wie übrigens in den meisten seiner Filme) Gefallen an Gewalt zu finden scheint. Der Einwand, sie mache Milieu und Charaktere realistischer, zieht bei mir nicht. Seit ein paar Tagen findet die 57. Berlinale statt. Für sein Lebenswerk wird diesmal US-Regieveteran Arthur Penn geehrt, der 1967 mit „Bonnie und Clyde“ dem etwas angestaubten Hollywood mit bahnbrechender Gewalt den Kopf freigepustet hat. Er hat damit auch eine Entwicklung ausgelöst, die zu mehr künstlerischem Realismus geführt hat. Aber Realismus im Kino sollte nicht heißen, dass der Körper auf die gezeigten Bilder mit Wut und Übelkeit im Magen reagieren muss.

Sind wir wirklich so abgestumpft, dass uns zerschossene Körper oder abgetrennte Beinstümpfe nichts mehr anhaben können? Wir haben uns wohl daran gewöhnt, mal eben kurz die Augen zuzumachen. Doch ich denke, dass wir die Macht solcher Bilder unterschätzen. Mich verfolgen sie nicht selten bis in die Träume. Das ist mir Realismus genug.

von alicewonderland"



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